Mein Kleiderschrank – einst Zuhause gedankenloser Errungenschaften, deren überwältigender Anblick mich schier verzweifeln ließ. Öffne ich hingegen heute die Türen meines Schranks, sehe ich einen Ort, an dem ein paar wenige, aber umso einzigartigere Pieces ihren Platz gefunden haben. Jedes mit seiner ganz eigenen Geschichte. Im Besonderen aber: einen Ort, an dem Kleidung wertgeschätzt wird. Wenn ich über all die sorgfältig ausgewählten und aufeinander abgestimmten Stoffe streiche, wird mir bewusst, wie wichtig es ist, Kleidung wieder den Wert zuzumessen, den sie verdient. Ganz im Gegensatz zu unserer heutigen Wegwerfgesellschaft. Es wird häufig vergessen, dass die Kleidung von Näher*innen hergestellt wird, wichtige Rohstoffe und Ressourcen für die Herstellung verbraucht sowie lange Transportwege in Kauf genommen werden. So sollte der Prozess des Kaufens vielmehr mit längerem Stöbern und Überlegen, anstatt mit blitzschnellen Kaufentscheidungen verbunden sein. Auch bei mir war die Umstellung von Fast Fashion auf langsamere, bewusstere Mode – sogenannte Slow Fashion – keine Umstellung über Nacht, sondern ein Prozess bis hin zu einem veränderten Bewusstsein gegenüber Kleidung, der Produktion sowie meinem eigenen Konsumverhalten.
Ich möchte Euch in diesem Artikel anregen, Euer eigenes Konsumverhalten zu reflektieren und mit Euch Ideen teilen, wie die Umstellung auf bewusstere Mode einfach gelingt.
Slow Fashion
Während die Abstände zwischen neuen Trends und Kollektionen großer Modelabels immer kürzer werden, nimmt die Anzahl der dabei produzierten Pieces stetig zu. Der daraus resultierende Massenkonsum führt nicht nur zu einem übermäßigen Ressourcenverbrauch, sondern auch zu überfüllten und unübersichtlichen Kleiderschränken. Zudem werden durch das Färben während der Herstellung und das stetige Waschen der getragenen Kleidung häufig eine große Menge an Chemikalien sowie Mikroplastikteilchen freigesetzt, die in den Wasserzyklus gelangen. All dies macht die Textilindustrie zu einer der größten Herausforderung für unsere Umwelt. Wer also Ressourcen schonen und gleichzeitig seinen Kleiderschrank minimalistischer gestalten will, für den empfiehlt sich der Rückgriff auf Slow Fashion. Im Gegensatz zu Fast Fashion zeichnet sich Slow Fashion vor allem durch seine Langlebigkeit, Transparenz sowie Zeitlosigkeit aus. Neben der Reduzierung des eigenen Kleiderkonsums ist der bewusste Kauf von ressourcenschonender sowie lokal produzierter Mode bei Slow Fashion wesentlich. In den Fokus rücken der bewusstere Umgang mit Kleidung sowie die Wertschätzung der einzelnen Pieces.
In den vergangenen Jahren haben sich immer mehr Labels zum Ziel gemacht, hochwertige und langlebige Kleidung herzustellen, die unter fairen Arbeitsbedingungen produziert wird. Neben dem Kauf von Fair Fashion Teilen beinhaltet der Slow Fashion-Ansatz weitere Möglichkeiten, wie beispielsweise Secondhand shoppen, Upcycling, tauschen oder leihen, um aussortierten Pieces eine neue Chance zu geben.
Why sustainable?
Wer an Slow Fashion denkt, assoziiert damit häufig hohe Preise oder simple Basics. Gleichermaßen geht man bei einem Etikett mit der Aufschrift „Bio-Baumwolle“ automatisch von einer umweltbewussten Herstellung aus. All diesen Annahmen wurde auf den Grund gegangen und zusammengefasst, was die Slow Fashion-Bewegung so nachhaltig macht:
- Stoffe: Grundsätzlich gilt, je weniger Verarbeitungsschritte ein Stoff bei der Produktion durchläuft, als desto nachhaltiger lässt sich das Endprodukt einstufen. Die Gewinnung von Leinen ist beispielsweise äußerst naturbelassen sowie ressourcensparend. Im Vergleich zur Herstellung von Baumwollstoff wird dabei nur ein Bruchteil des Wassers benötigt. Ein weiteres beliebtes Material der Fair Fashion Branche ist Hanffaser, die nicht nur mit ihren robusten, sondern auch mit ihren hautfreundlichen Eigenschaften überzeugt. Wer sicherstellen will, dass sein favorisiertes Teil maximal nachhaltig hergestellt wurde, hält daher anstatt nur nach einem Bio-Siegels lieber auch nach einer GOTS (Global Organic Textile Standard) Zertifizierung Ausschau. Diese gewährleistet die Verarbeitung von Naturfasern unter der Einhaltung geprüfter Kriterien.
- Preis: Wer anfängt sich mit Fair Fashion auseinanderzusetzen, wird mit dem häufig großen Preisunterschied zu Fast Fashion konfrontiert. Auch wenn die meisten Teile durchaus eine Investition darstellen, überzeugen diese oftmals durch eine längere Lebensdauer. Als kostengünstige Alternative bietet sich zudem das Durchstöbern des lokalen Secondhand-Stores an.Im Fast Fashion Bereich hingegen fließt der größte Teil des Umsatzes in die Margen der Labels. Näher*innen sind an dem Gewinn meist nicht beteiligt und Umweltaspekte werden als zweitrangig betrachtet.
- Design: Zeitlose sowie langlebige Fair Fashion Pieces bilden häufig die Basis eines Slow Fashion Kleiderschranks. Wer seine Garderobe zusätzlich durch einige Statement Pieces ergänzen will, dem seien Secondhand-Shops ans Herz gelegt. Neben hochwertigen Alleskönnern, wie Stücken aus Cashmere oder Seide, eignet sich der Secondhand-Store vor allem für das Aufstöbern von extravaganten Teilen mit beispielsweise Fransen, ausgefallen Schnitten oder auffälligen Farben.
- Reduce-Reuse-Repair-Recycle: Elementarer Bestandteil von Slow Fashion ist es, der vorherrschenden “Wegwerf”-Mentalität entgegenzuwirken. Beim Kauf von neuen Sachen sollte daher eher auf die Qualität der einzelnen Teile statt auf die Quantität geachtet werde. Sollte ein Kleidungsstück dem persönlichen Stilempfinden nicht mehr genügen, wird dieses upgecycelt oder an einen neuen Besitzer weitergegeben. Auch abgefallene Knöpfe, Löcher oder Risse sind kein Grund, ein Kleidungsstück gleich auszusortieren. Mit einigen geschickten Handgriffen oder nach einem Besuch bei Oma sieht das Teil wieder aus wie neu. Erreicht ein Kleidungsstück trotz allem das Ende seiner Lebensdauer, kann der Stoff, wenn dieser ordnungsgemäß recycelt wird, die Basis für ein neues Piece bilden. So wird der Lebenszyklus der Kleidung, die wir tagtäglich tragen, geschlossen und der Umwelt sowie den Menschen, die diese Teile produzieren, mehr Wertschätzung entgegengebracht.
Where to find/tips:
- Ob Unisex Pieces, Wintermäntel, Bademode oder Rucksäcke. In der Fair Fashion Kategorie des Magazins findet Ihr eine Vielfalt an ausgewählten Labels, die es sich zum Ziel gemacht haben, Mode sowie Accessoires nachhaltiger zu gestalten.
- Einen möglichst minimalistischen Kleiderschrank zu gestalten, diesem Konzept folgt die sogenannte „Capsule Wardrobe“. Der eigene Kleiderschrank wird dabei durch strategisches Reduzieren so optimiert, dass ein paar wenige, zeitlose Pieces, ausreichen, um vielseitig kombinierbare Outfits zusammenzustellen. Welche Herangehensweise sich dafür eignet und was es dabei zu beachten gilt, erfahrt Ihr in unserem Capsule Wardrobe Guide.
- Vinted ist die hervorgehende Fusion aus Kleiderkreisel und Mamikreisel, und umfasst mittlerweile eine große Secondhand-Community zum Verkaufen, Tauschen oder Verschenken von aussortierter Kleidung. Die neue Secondhand-Plattform ist ideal, um ein paar preiswerte Vintage-Pieces zu ergattern, und sich für seine eigene, aussortierte Kleidung einen neuen Besitzer zu finden.
- Wem die Geduld oder Zeit fehlt, einen ganzen Karton voller aussortierter Kleidung einzeln zu fotografieren und mit Beschreibung anschließend auf eine Online-Verkaufsplattform zu stellen, für den bietet Oxfam Abhilfe. Aussortierte Kleidung kann einfach bei einem Oxfam Shop abgeben werden. Mit dem, aus der aussortierten Kleidung erwirtschafteten Geld, unterstützt Oxfam anschließend Projekte gegen Armut und soziale Ungleichheit. Oxfam eignet sich zudem hervorragend, um selbst einige neue Fundstücke in seinem Kleiderschrank einziehen zu lassen. Wie das genau funktioniert und wo sich ein Oxfam Shop in Eurer Nähe befindet, könnt Ihr hier nachlesen.
- Choose it – Wear it – Swap it. Die Kleiderei eignet sich als Möglichkeit für all jene, die noch auf passender Outfit-Suche für die nächste Familienfeier oder ein spontanes Must-have sind. Als Kleiderei-Mitglied kann man bis zu vier Teile so oft ausleihen und tauschen, wie man möchte, um seinen ganz persönlichen Stil zu finden und so Fehlkäufe zu vermeiden. Möchte man sich am Ende davon nicht mehr trennen, gibt es beim Kauf einen Rabatt für Mitglieder.
3 Kommentare
Ich habe ein paar schlichte Basics und ein paar Stücke die etwas cooler sind, die kombiniere ich dann zu einem tollen Look. Durch dieses „System“ trage ich oft die gleichen Sachen und die Klamotten gehen schnell kaputt, habt ihr Tipps wie man die Lebensdauer der Klamotten verlängert?
Ich habe auch einen sehr minimalistischen Kleiderschrank, ziehe dem entsprechend immer oft dieselben Pieces an und habe dann leider das Problem, dass meine Kleidung nach einer Saison immer schon total kaputt ist. Wie kann ich denn, die Lebensdauer von Kleidung verlängern?
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