Verzichtet man weitestgehend auf schnelllebige Kleidung und Pieces aus unfairer Produktion, verabschiedet man sich gedanklich häufig schon aufregenden Designs und hippen Accessoires. Darunter auch Taschen und Rucksäcke. Bilder von eintönigen Farben, langweiligen Designs oder im typischen “Öko-Look” kommen einem in den Kopf.
Laura Stolz zeigt mit ihrem gleichnamigen Label nicht nur, dass die Befürchtungen völlig unbegründet sind, sondern beweist, dass Nachhaltigkeit und ästhetische Designs durchaus Hand in Hand gehen können. Das 2019 gegründete Taschen-Label produziert nachhaltige, hochwertige und langlebige Produkte aus nachhaltigem Leder, die den Alltag ihrer Träger*innen erleichtern sollen.
Wir wollten von Laura Stolz wissen, warum sie sich für nachhaltiges Leder als Material für ihre Taschen entschieden hat, warum für sie aufregende Designs eine zentrale Rolle im Rahmen ihrer Kollektionen spielen und inwieweit sie die Verantwortung bei der Industrie sieht, Fair Fashion in der Mitte der Gesellschaft ankommt.
Genau dieser Reichtum an Abwechslung, Hingabe und Leidenschaft macht das Handwerk einzigartig.
Du hast Laura Stolz 2019 gegründet. Was hat Dich dazu bewegt, ein Taschenlabel zu gründen? Was ist die Vision dahinter?
Ich war schon immer ein sehr kreativer Kopf und liebe es seither mit meinen Händen diese Kreativität auszuleben, sei es beim Malen oder Werkeln.
Während meines Designstudiums wurde mir schnell bewusst, dass mein Weg mich früher oder später in die Selbstständigkeit führen wird. Der Unternehmergeist ist nicht nur in meiner Familie oder in meinem unmittelbaren Freundeskreis, sondern auch bei meinem Partner sehr stark vertreten. Dies war und ist noch immer ein großer Vorteil, mit dem mir die Angst, mich selbstständig zu machen, ein bisschen genommen wurde.
Mein Auslandssemester in Israel im Rahmen meines Masterstudiums war für mich ein Schlüsselmoment. In dieser Zeit fasste ich endgültig den Entschluss, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen und so wurde der Grundstein für die Gründung meines Taschenlabels gelegt.
Die Vorliebe zum Leder hat sich über einen längeren Zeitraum und über das Sammeln von Erfahrungen entwickelt. Mein Verlangen nach akkuraten und detailverliebten Arbeiten führte mich schon fast automatisch zu diesem großartigen Material und dem einhergehenden Handwerk. Das Lederhandwerk weist viele Facetten auf – von schweißtreibend und laut bis zu leise und meditativ. Genau dieser Reichtum an Abwechslung, Hingabe und Leidenschaft macht das Handwerk einzigartig.
Für Deine Taschen und Accessoires verwendest Du nachhaltiges Leder. Was bedeutet das für Dein Label genau? Und wie erklärst Du, dass sich – entgegen dem Stigma – Nachhaltigkeit und Materialien tierischen Ursprungs durchaus nicht ausschließen?
Im Zuge der Gründung habe ich mich lange mit der Frage auseinandergesetzt, ob Leder wirklich nachhaltig sein kann und was genau Nachhaltigkeit in diesem Zusammenhang ausmacht. Gleichzeitig möchte ich mich vor veganem Leder nicht verschließen. Nicht zu verwechseln mit Kunstleder, dass zwar vegan und tierfrei angeworben wird, aber entgegen einer nachhaltigen und zukunftweisenden Alternative steht, da es aus Erdöl gewonnen wird. Daher kommt es oft zum Schwarz-Weiß-Denken; und genau hier geht es darum, auch die Grautöne zu beleuchten. Sowohl tierisches Leder als auch vegane Alternativen haben ihre Vor- und Nachteile und genau das gilt es zu hinterfragen und für sich persönlich herauszufinden.
Wir alle wissen, dass für Leder Tiere sterben müssen und dass die Weiterverarbeitung oftmals den Einsatz von toxischen Substanzen bedeutet, die gesundheitsschädlich und belastend für die Umwelt sind. Und genau hier wollte ich ansetzen und zeigen, dass es auch anders geht. Pflanzliche Lederalternativen können eine Lösung sein. Aber auch diese sind in ihrer Herstellung oftmals sehr aufwendig. Daher werden auch hier viele giftige Chemikalien eingesetzt, um die Rohstoffe aufzubereiten, zu verbinden und haltbarer zu machen. Dadurch sind sie schwer recycelbar und darüber hinaus auch nicht immer biologisch abbaubar.
Was ist also die richtige Lösung, wenn es denn überhaupt eine gibt?
Ich habe mich mit meinem Label Laura Stolz für den Weg entschieden, der die bereits vorhandene Ressource Leder nutzt, ohne Chemikalien auskommt, Langlebigkeit verspricht und am Ende nicht mehr Müll produziert.
Daher arbeite ich mit einem Familienbetrieb aus Baden-Württemberg zusammen, die Ihre Rohhäute regional und ausschließlich aus Süddeutschland bezieht. Die anfallenden Häute zählen zu den Abfallprodukten der Fleisch- und Milchindustrie. Der Familienbetrieb nutzt das Verfahren der vegetabilen Gerbung, bei der ausschließlich pflanzliche Gerbstoffe zum Einsatz kommen. Im Vergleich zu konventionellen Gerbverfahren werden dabei keine giftigen Chemikalien oder Schwermetalle eingesetzt.
Ein wichtiger Aspekt für mich, der den Begriff der Nachhaltigkeit am besten untermalt, ist die Langlebigkeit des Materials selbst. Meine Stücke sind nicht nur langlebig, sondern entwickeln auch, dank ihrer entstehenden Patina, eine ganz eigene Persönlichkeit und können damit ihre Geschichte weitererzählen.
Sprechen wir über Transparenz: Wo werden die Laura Stolz-Produkte hergestellt? Was ist Dir im Rahmen der Produktion besonders wichtig?
Alle Designstücke und Lederaccessoires meines Labels Laura Stolz werden in Handarbeit in meinem eigenen Atelier angefertigt. Natürlich ist mir dies nur in einem gewissen Rahmen möglich, welches das Konzept des „made-to-order“ entstehen ließ und dem Kunden die Möglichkeit gibt, zum Teil im Prozess beteiligt zu sein und Wünsche zu äußern. Sei es bezüglich der Farbwahl der Metallteile oder der Riemenlänge für Handtaschen und Gürtel. Dies ermöglicht mir darüber hinaus ein sehr ressourcenschonendes Arbeiten.
Für einen respektvollen Umgang mit diesem so kostbaren Rohstoff setze ich immer auf einen minimalen Verschnitt beim Zuschnitt der Lederteile sowie der Weiterverarbeitung kleinster Lederstücke. Im vergangenen Jahr entstand dadurch eine kleine Ohrringkollektion, die wunderbar minimalistisch daherkommt und durch das Material kaum spürbar am Ohr ist. So wie die Ohrringe, geboren aus Verschnittresten, sind auch die Widerhaken entstanden, die ein wichtiger Teil meiner Designsprache sind. Diese erlauben es mir, dank ihrer Form die ungleichen Randstücke des Leders sinnvoll weiterzuverarbeiten.
Wenn es aber um die Langlebigkeit geht, bin ich der Meinung, dass weniger gleich mehr ist.
Immer noch viel zu häufig ergibt sich für Taschen ein eingeschränkter Lebenszyklus: vom Gebrauchsgegenstand zum Wegwerfprodukt. Wie gehst Du damit im Rahmen der Kollektion um und mit welchen Herausforderungen sahst Du Dich im Rahmen der Gründung abseits davon am häufigsten konfrontiert?
Eine Tasche ist ein Produkt, welches man liebt und welches einen täglich im Leben begleitet. Gebrauchsspuren und Abnutzungen sind da also ganz normal und haben ihre Berechtigung.
Die Lebenszeit einer Tasche kann jedoch deutlich erhöht werden, wenn beim Kauf nicht nur auf Trends und Markennamen geachtet wird, sondern vor allem auch auf das Material und die Verarbeitung. Viele Taschen, auch im Luxussegment, nutzen Schaumstoff und Pappe, um Ihren Produkten die richtige Form und Stabilität zu geben. Dies ist auch absolut legitim, kann jedoch unschöne Verformungen oder Knicke nach sich ziehen. Wenn es aber um die Langlebigkeit geht, bin ich der Meinung, dass weniger gleich mehr ist.
Mit dem eingesetzten Leder, dass sich formstabil, dick und robust anmutet, lassen sich reduzierte Designs entwickeln, die gefaltet oder gesteckt werden können. Der Vorteil ist, dass Nähte und Metallteile reduziert zum Einsatz kommen und so viel Freiraum für neue Ideen und Funktionalitäten lassen. Zudem können die meisten Elemente, wie ein verschmutzter Taschenbeutel oder verschlissene Taschenriemen ausgetauscht und von mir erneuert werden.
Während sich viele der fairen und nachhaltigen Labels auf stets kombinierbare und möglichst zeitlose Standard-Kollektionen konzentrierten, punkten Deine Designs vor allem durch die kreativen Konzepte, bei denen es immer wieder Neues zu entdecken gilt und die wir bei nachhaltigen Kreationen häufig so schmerzlich vermissten. Warum sind Dir genau diese Aspekte so wichtig und wie integrierst Du diese in Deine Produkt-Range?
Wenn man sich die Klassiker im Design ansieht, die über Jahrzehnte hinweg Bestand haben, haben alle etwas gemeinsam – sie verbinden Konzeption, besondere Designelemente und Funktionalität. Diese Klassiker kommen nie aus der Mode und ist dies nicht auch ein Teil der Nachhaltigkeit?
Für mich ist es ein Irrglaube, dass Nachhaltigkeit und Zeitlosigkeit immer mit schlichten und unauffälligen Entwürfen einhergehen muss. Wir lieben Design und Kreativität, warum sollten wir uns darin also einschränken.
Die Wahl eines edlen Materials aus schonenden und nachvollziehbaren Quellen und die sorgfältige und hochwertige Verarbeitung sind für mich die beiden Säulen meiner Arbeit, an denen ich mich festhalte. In allem anderen setze ich der Kreativität keine Grenze.
Die Wahl eines edlen Materials aus schonenden und nachvollziehbaren Quellen und die sorgfältige und hochwertige Verarbeitung sind für mich die beiden Säulen meiner Arbeit, an denen ich mich festhalte.
Fair Fashion wird zwar bereits in der einst so engstirnigen Modebranche wahrgenommen, so richtig ernst genommen wird sie in der Breite der Gesellschaft allerdings noch nicht. Was muss Deiner Meinung nach passieren, bis sich das Thema vollständig durchsetzt und inwieweit siehst Du hier die Verantwortung bei der Industrie?
Nachhaltige Mode hat als Nischenmarkt begonnen und ist in den letzten zehn Jahren zu einem immer größeren Trend geworden. Leider gibt es aber auch viele schwarze Schafe, die auf dieser grünen Welle mitreiten, um Ihr Image zu verbessern und den Kunden ein gutes Gefühl zu verschaffen, dem sogenannten Greenwashing.
Wir wollen daran glauben, dass diese großen Marken tatsächlich das umsetzen, was sie in ihren Werbekampagnen versprechen. Bedauerlicherweise ist die Realität aber so, dass vor allem große Konzerne den Mehrwert überhaupt nicht darin sehen und oftmals nur Profit daraus ziehen wollen. Darum bin ich davon überzeugt, dass große Veränderungen nur durch strengere Auflagen (die auch regelmäßig kontrolliert werden müssen) und Gesetze, vor allem in den Produktionsländern, erzielt werden können. Die Politik muss tätig werden.
Für die Marken und Labels, die schon auf einem guten Weg sind, ist es wichtig, die Informationen weiter zu streuen und in die Mitte der Gesellschaft zu rücken. Alle von uns können etwas verändern und dazu beitragen, den Weg in eine bessere Zukunft zu gehen. Sei es durch ein bewussteres Konsumverhalten, der Unterstützung regionaler und kleiner Unternehmen oder den Kauf von Secondhand-Kleidung.
6 Kommentare
Ein total spannendes Label und wirklich tolle Designs. Kann man denn die Taschen irgendwo live ansehen? Bei dem hohen Kostenpunkt wäre mir dies sehr wichtig, bevor ich über einen Kauf überhaupt nachdenke.
Liebe Lejla,
wir geben das tolle Feedback gerne weiter! Wir finden sie Designs auch wirklich großartig. Laura ist mit ihren Taschen immer mal wieder bei Pop Up Locations dabei. Folg Ihr sehr gerne auf Instagram @laurastolzdesign, um immer über die neuesten Locations informiert zu sein.
Ganz liebe Grüße, Sophia vom FREE MINDED FOLKS-Squad
So schöne Designs <3
Sehr spannendes Interview! Laura stellt in ihrer Antwort klar, dass sie sich für Leder entschieden hat, weil sie dies aktuell als nachhaltigste Variante sieht. Das kann ich nachvollziehen. Aber wäre nicht die Verwendung von z.B. Kaktusleder die nachhaltigste Variante? Immerhin besteht es dann auch aus natürlichen Materlien
Lieber Francesco,
vielen lieben Dank für Dein Feedback. Nachhaltigkeit rückt glücklicherweise immer mehr in den Fokus und immer mehr Ideen werden entwickelt und Projekte umgesetzt – was eine fantastische Entwicklung ist. Entsprechend gibt es auch im Bereich der nachhaltigen Materialien immer wieder Neues, das für den Markt entwickelt wird. So auch Kaktusleder; eine tolle vegane Lederalternative, die entgegen Kunstleder auf Erdöl-Basis, aus natürlichen, nachwachsenden Materialien besteht. Jedoch ist auch das Kaktusleder nur teilweise biologisch abbaubar, weil im Rahmen der Bindung häufig Kunststoffe eingesetzt werden. Auch wird Kaktusleder zwar eine höhere Langlebigkeit als künstlichen Leder nachgesagt – Expert*innen schätzen eine Haltbarkeit von bis zu zehn Jahren – allerdings liegt die Haltbarkeit weit unter jener von echtem, nachhaltigen Leder wie jenem, das Laura für ihre Designs verwendet. Du siehst: geht es um die Wahl des Materials, gilt es viele verschiedene Betrachtungsweisen und Kriterien gegeneinander abzuwägen und immer wieder zu re-valuieren, wenn neue Materialien auf den Markt kommen. Und eines kann ich Dir aus dem Gespräch mit Laura versichern: sie ist stetig auf der Suche nach Verbesserungen und wiegt immer wieder ab, wie sie ihre Taschen noch nachhaltiger gestalten kann. Das finden wir großartig!
Ganz liebe Grüße
Sophia
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